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Geschäftslage im Jahr 2020 bei dem Verwaltungsgericht Potsdam

- Erschienen am 15.02.2021 - Presemitteilung 01/2021

Das Jahr 2020 ist für das Verwaltungsgericht Potsdam durch Personalverstärkungen, eine Steigerung der Erledigungszahlen bei auf dem Vorjahresniveau liegenden Neueingängen und einen leichten Abbau der Gesamtbestände geprägt, aber auch – trotz annähernd 2.000 Altverfahrenserledigungen – durch eine weitere erhebliche Verschlechterung der Altersstruktur der noch offenen, aus den Vorjahren stammenden Streitsachen. Im Einzelnen:

Eingänge: Im Jahr 2020 sind insgesamt 4.865 Verfahren* (davon 1.265 Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes) neu eingegangen. Das entspricht den Eingängen im Vorjahr (4.883 Verfahren). Über 40 Prozent dieser Eingänge entfiel auf das Asylrecht mit insgesamt 2.003 Verfahren (nach 1.825 Asyleingängen in 2019). Mehr als 120 Eingänge betrafen Verfahren im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie.

Erledigungen: Erledigt werden konnten 2020 insgesamt 5.049 Verfahren (davon 1.814 Asylsachen). Dies ist gegenüber dem Vorjahr (4.788 Erledigungen) schon eine deutliche Steigerung (+5,5 %). Da infolge der Corona-Pandemie im März/April rund 90 Verhandlungstermine aufgehoben wurden und auch danach insbesondere Verfahren mit einer größeren Anzahl von Beteiligten zurückgestellt werden mussten, ist dies ein sehr beachtliches Ergebnis. Erstmals seit Jahren überstieg damit die Zahl der Erledigungen diejenige der Neueingänge.

Personalausstattung und -bedarf: Der Personalbestand belief sich Ende 2020 auf 49,00 Richterarbeitskräfte. Dies stellt gegenüber dem Personalbestand von Ende 2019 (43,80) eine Verbesserung um über fünf Richterarbeitskräfte dar. Das Ministerium der Justiz und der Haushaltsgesetzgeber haben es ermöglicht, dass ab Mitte 2020 insgesamt sieben neu ernannte Proberichterinnen und Proberichter ihren Dienst bei dem Verwaltungsgericht Potsdam antreten konnten. Der rein rechnerisch – (allein) für die Neueingänge – ermittelte Personalbedarf des Gerichts lag demgegenüber bei lediglich 37,67 Richterarbeitskräften. Hieran gemessen ist das Gericht also nun personell sehr gut ausgestattet. Jedoch müssen eben nach wie vor die Folgen der extrem hohen Eingänge vor allem in den Jahren 2016 und 2017 bewältigt werden, als noch mehr als 15 Richterarbeitskräfte fehlten. Die Konsequenz ist ein Berg an unerledigten und (teils stark) überalterten Streitsachen. Die Aufgabe, hier wesentliche Fortschritte zu erzielen, erscheint aber mit der in 2020 bewirkten deutlichen Personalverstärkung nun lösbar.

Bestände und Altverfahren: Der Bestand an unerledigten Streitsachen hat sich – erstmals seit Jahren – wieder leicht positiv entwickelt: Ende 2020 waren 9.336 Verfahren anhängig, Ende 2019 waren es noch 9.518 Verfahren.

Obwohl die Richterinnen und Richter des Verwaltungsgerichts Potsdam annähernd 2.000 Verfahren (genau: 1.910) erledigen konnten, die bereits bis Ende 2018 eingegangen sind, hat sich die Altersstruktur der anhängigen Streitsachen auch per Ende 2020 noch einmal sehr deutlich weiter verschlechtert. Dies beruht auf dem Hineinwachsen von – insbesondere – Asylsachen aus den extrem starken vorangegangenen Eingangsjahren in die Überalterung. Im Ergebnis waren von den Ende 2020 anhängigen 9.336 Verfahren

  • 4.710 Verfahren (50,6 %) älter als zwei Jahre und davon
  • 2.955 Verfahren (31,7 %) sogar älter als drei Jahre.

Allein bei den überjährigen Anhängen, also den Verfahren mit einer Anhangsdauer von mindestens 12 Monaten, konnte eine leicht positive Entwicklung erreicht werden: Ende 2020 waren 6.477 der unerledigten Verfahren schon länger als 12 Monate anhängig, während diese Zahl Ende 2019 noch 6.625 Verfahren lag.

Verfahrenslaufzeiten bei Klageverfahren: Die 2020 erledigten Klageverfahren (einschließlich Asyl) weisen im Durchschnitt eine Laufzeit von 22,5 Monaten auf (bei streitiger Entscheidung wie insbesondere durch Urteil: 33,1 Monate, bei unstreitiger Entscheidung wie etwa durch Vergleich, Klagerücknahme oder Hauptsachenerledigung: 18,4 Monate); in 2019 lag die durchschnittliche Laufzeit noch bei 18,3 Monaten. Hier hat zu Buche geschlagen, dass 2020 eine hohe Zahl von schon deutlich überalterten Verfahren erledigt wurden, nämlich 1.910 Sachen, die bereits bis Ende 2018 eingegangen waren.

Verfahrenslaufzeiten bei Eilverfahren: Eilverfahren sind 2020 im Durchschnitt nach 2,2 Monaten erledigt worden; dies stellt gegenüber dem Vorjahr (2,8 Monate) eine Verbesserung dar. 

Der Präsident des Verwaltungsgerichts, Dr. Jan Bodanowitz, zieht dieses Fazit:

„Nach wie vor ist die Situation des Verwaltungsgerichts Potsdam noch durch eine erhebliche Schieflage geprägt. Zwar ist es gelungen, im Jahr 2020 annähernd 2.000 Altverfahren zu erledigen. Trotzdem konnte das Gericht aber dem Anspruch auf ein zügiges Verfahren vor Gericht (Artikel 52 Absatz 4 der Landesverfassung) in sehr vielen Fällen nicht gerecht werden. An dieser Feststellung führt angesichts des Bestandes von 6.477 Verfahren, die schon seit mehr als einem Jahr unerledigt sind – darunter 4.710 länger als zwei Jahre anhängige Sachen –, leider auch für 2020 noch kein Weg vorbei.

Die Aussichten sind aber günstig. Die Justizministerin und der Haushaltsgesetzgeber haben „geliefert“, das Gericht tritt nun nach den ab Mitte 2020 realisierten Neueinstellungen mit einer sehr guten Personalausstattung in das Geschäftsjahr 2021. Mit der fortschreitenden Einarbeitung der neuen Proberichterinnen und Proberichter ist nun der wesentliche Baustein dafür gesetzt, die schon verfassungskritisch überalterten Verfahrensbestände in den Griff bekommen zu können.“

* Zahlenangaben – auch im Folgenden – einschließlich sog. sonstiger Verfahren, die in der amtlichen Justizstatistik außer Betracht bleiben, sowie einschließlich des Berufsgerichts für Heilberufe.