Geschäftslage des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) im Jahr 2024
- Erschienen am - PresemitteilungDas Geschäftsjahr 2024 des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) wurde von einem starken Anstieg der Verfahrenseingänge geprägt. Im Zeitraum vom 1. Januar 2024 bis zum 31. Dezember 2024 gingen 3540 neue Verfahren ein. Dies stellt gegenüber dem Vorjahr einen Anstieg der Neueingänge um 117 % dar. Im gleichen Zeitraum des Jahres 2023 waren noch 1628 Neueingänge zu verzeichnen. Der Anstieg der Neueingänge ist insbesondere auf eine hohe Anzahl neuer Asylverfahren zurückzuführen. Der Anteil der Asylverfahren, insbesondere aus Afghanistan, aber auch aus Kamerun und Pakistan, lag im Jahr 2024 bei ca. 60% der gesamten Eingänge. 2024 gingen 2136 neue Asylverfahren ein; im Jahr 2023 waren es noch 716 neue Asylverfahren. In Folge der hohen Neueingänge waren am 31. Dezember 2024 nunmehr 2977 offene Verfahren anhängig; am 31. Dezember 2023 waren noch 2056 Verfahren anhängig.
Trotz der erheblich angestiegenen Anzahl der Neueingänge ist es den Richterinnen und Richtern des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) im Jahr 2024 gelungen, die Altersstruktur der vorhandenen Anhänge weiter deutlich zu verbessern: während am 31. Dezember 2023 noch 38 % der Verfahren älter als zwei Jahre waren, liegt der Anteil am 31. Dezember 2024 nur noch bei 17 %. Die Zahl der Erledigungen erhöhte sich dabei gegenüber dem Vorjahr. Im Jahr 2024 wurden 2620 Verfahren erledigt. Im Jahr 2023 lag die Gesamtzahl der erledigten Verfahren noch bei 2172. Die Anzahl der erledigten Asylverfahren stieg von 1099 im Jahr 2023 auf 1250 im Jahr 2024.
Auch 2025 sollen die durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten verkürzt und die Altbestände effektiv abgebaut werden. Zugleich wird es angesichts des Wegfalls von vorübergehend geschaffenen Stellen eine große Herausforderung sein, dem durch die Neueingänge indizierten erheblichen Anstieg des Bestandes an anhängigen Verfahren entgegenzuwirken. Auf die veränderte Situation und den starken Anstieg der Neueingänge sollte das Land Brandenburg sehr zügig mit einer auskömmlicheren Personalausstattung der Verwaltungsgerichte reagieren.
Weiter wurde das Jahr 2024 maßgeblich dadurch geprägt, dass das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die Aktenführung für neu eingegangene Verfahren zum Stichtag 1. Dezember 2024 auf eine elektronische Aktenführung umgestellt hat. Dies betrifft sämtliche Neueingänge aus allen Sachgebieten. Die Neueinführung der elektronischen Akte erfolgte ohne größere technische Komplikationen. Sie beanspruchte – und beansprucht weiter – wegen des Umstellungsaufwandes zunächst außergewöhnlich große Personalressourcen. Da die vor dem Stichtag eingegangenen Verfahren in Papierform weitergeführt werden, wird es noch einige Zeit brauchen, bis sich erste Aussagen zu der erhofften schnelleren Bearbeitung der verwaltungsgerichtlichen Verfahren treffen lassen.
Weiter kann erfreulicherweise darüber berichtet werden, dass aus der im letzten Jahr erfolgten Aufnahme einer Partnerschaft zwischen dem Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) und dem polnischen Wojewodschafts-Verwaltungsgericht Gorzow Wlkp. intensivere Kontakte resultieren. Im Rahmen der Partnerschaft erfolgte 2024 je ein gegenseitiger Besuch der Präsidenten und interessierter Richter und Richterinnen, im Zuge derer intensive Diskussionen zu den unterschiedlichen Rechtstraditionen und -systemen geführt wurden.
Auch im Jahr 2025 steht wiederum eine große Anzahl von zu entscheidenden Verfahren an. Beispielhaft zu nennen ist die Klage eines Studenten der Viadrina gegen die Studierendenschaft der Europa-Universität Viadrina, die auf Rückzahlung eines gezahlten Beitragsanteils für das Semesterticket gerichtet ist. Der Kläger hält die Beitragsordnungen der Europa-Universität Viadrina für formell und materiell rechtswidrig. Er macht unter anderem geltend, dass es seit der Einführung des bundesweiten Deutschlandtickets für 49 Euro keine Rechtfertigung für ein zwangsweises Semesterticket mehr geben könne. Daher begehrt er die Rückzahlung des Beitragsanteils für das sog. Semesterticket in Höhe von 200 Euro.
Weiter wird das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) über den Widerruf der Betriebserlaubnis für ein Heim zur stationären Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Garzau-Garzin entscheiden. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport hat die Betriebserlaubnis des Heims aufgehoben, weil es das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung nicht gewährleistet bzw. gefährdet sah. Insbesondere sah das Ministerium die Zuverlässigkeit des Betreibers nicht mehr als gegeben an.
In insgesamt sieben Verfahren wird über Klagen der Landkreise Oder-Spree, Märkisch-Oderland und Barnim sowie der Stadt Frankfurt (Oder) gegen das Land Brandenburg entschieden werden. Die Landkreise und die Stadt Frankfurt (Oder) klagen auf höhere Erstattungsansprüche für Kosten der minderjährigen Flüchtlingen gewährten Jugendhilfe.
Außerdem wird im Hinblick auf divergierende obergerichtliche Rechtsprechung erneut über die Zulässigkeit sog. „gespaltener Gebührensätze“ zu entscheiden sein. Weiter stehen zahlreiche Verfahren von afghanischen Asylbewerbern an, die sich z. B. darauf berufen, als frühere Polizisten oder Armeeangehörige vom Taliban-Regime verfolgt zu werden.
Der Präsident des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder), Wilfried Kirkes, führt aus:
„Die zu Beginn der letzten Legislaturperiode durch das Justizministerium bei den Verwaltungsgerichten für einen vorübergehenden Zeitraum geschaffenen zusätzlichen Stellen dürfen angesichts der 2024 enorm gestiegenen Verfahrenseingänge nicht auf einer inzwischen überholten Planungsannahme vollständig wieder eingespart werden. Das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) hat gezeigt, dass die zielgerichtete und auf den Abbau der seinerzeit hohen Altbestände ausgerichtete Personalausstattung zielführend war. Es gibt zwar noch immer einige sehr lange Zeit anhängige Verfahren - ihre Anzahl hat aber ganz deutlich zurückgeführt werden können.
Im Übrigen gilt Dank und Anerkennung allen Bediensteten des Gerichts für die abermalige Steigerung der Erledigungsleistung trotz fortwährender Personalausfälle sowie der enormen Herausforderungen durch die immer komplizierter werdenden technischen Abläufe. Auch die zahlreichen ehrenamtlichen Richterinnen und Richter sowie die in den vielen Asylverhandlungen herangezogenen Dolmetscherinnen und Dolmetscher haben dazu beigetragen, dass sich die Leistungsbilanz des Verwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) für 2024 sehen lassen kann.
Aktuell sehen wir uns der Herausforderung ausgesetzt zu verhindern, dass die überraschend vielen Eingänge aus 2024 die Altanhänge von morgen werden. Da wegen der Rückstände bei dem für Asylentscheidungen zuständigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insbesondere beim Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) wegen der hier konzentrierten Zuständigkeit für drei der aufkommenstärksten Herkunftsländer auch im neuen Jahr mit einem nicht nachlassenden Eingang neuer Asylverfahren gerechnet werden muss, benötigt das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) erneut eine mit der Eingangssteigerung Schritt haltende Personalausstattung.“